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Utopie als Perspektive

Der frühere Wirtschaftsprüfer kommt im saloppen Pulli zum Interviewtermin. Aber im schnellen Alfa. Er arbeitet als Unternehmensberater. Aber leistet sich Utopien von einer harmonischeren Welt. Der 47-jährige Stefan Tobler wünscht sich eine solidarischere Welt, steht aber augenzwinkernd zu seinen individualistischen Seiten. Mit Armon legt er sein Erstlings- aber wahrscheinlich nicht sein Letztlingswerk vor, wie er im Gespräch unter anderem verrät.

Wie kommt ein Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater dazu, einen Roman zu schreiben?

In diesem Job schreibt man viel, Berichte, Unternehmensbeschreibungen, Analysen, Gutachten. Aber es ist eher eine Zwangskreativität, und ich hatte das Bedürfnis etwas zu schreiben, was Lust macht, ganz ohne finanziellen oder technischen Hintergrund.
Ich hatte diese Geschichte von spiegelbildlichen Gesellschaften im Kopf. Bei uns ist Sauerstoff das Einzige, was gratis ist. Und ich dachte mir, es könnte irgendwo einen Himmelskörper haben, wo es genau umgekehrt ist, also die Luft knapp ist und daher teuer wird.

Also war die Idee am Ursprung des Buches?

Die Idee, aber auch der Umstand, dass ich immer gerne geschrieben habe, auch Briefe. Ich führte immer wieder lange Briefwechsel mit anderen Menschen.

Das Buch ist, fast wie ein Märchen, relativ schwarzweiss gehalten. Es gibt Gute oder Böse und wenig dazwischen. Ist das eine bewusste Konstruktion zugunsten einer Message?

Es geht ja um die beiden Extreme Vertrauen und Angst. Auf Armon zum Beispiel haben die Leute Angst, dass der Sauerstoff ausgehen könnte, und daraus resultiert ihr extremes Verhalten. Das musste natürlich ein bisschen überzeichnet werden. Aber ich bin der Meinung, dass es auch differenzierte Figuren hat. Ihre Tragik ist die, dass sie es zwar gut meinen, aber am Schluss für schlechte Entwicklungen mitverantwortlich sind. Wir alle kommen immer wieder in Situationen, in denen wir zwischen Idealen und einem pragmatischen Weg wählen müssen. Dieses Dilemma spiegelt sich im Buch in der schwarzweissen Darstellung.

Wollten Sie mit Armon überhaupt eine gewisse "Moral der Geschichte" loswerden?

Ich glaube schon. Ein Teil der Message ist sicher: Mehr Vertrauen in die Natur, und nicht allzu viel Vertrauen in unsere Berechnungen. Denn mit dem Wissen, mit dem Berechnen sind die Armonier vom Urglauben weggekommen und das ist wie eine Metapher für das, was im Garten Eden passiert ist: "Ihr sollt nicht vom Baum der Erkenntnis nehmen." Die Armonier hat ihr Misstrauen in die Natur aus ihren paradiesischen Verhältnissen geführt.

Finden Sie das nicht eine gefährliche Aussage. Verkürzt würde dies bedeuten: Wenn man denkt, seine Intelligenz einsetzt, kommt man vom rechten Weg ab.

Zugegeben. Es gibt allerdings Philosophen die gesagt haben, das Hirn soll ein Werkzeug des Menschen sein, wie die Hand oder der Fuss. Aber heute ist es so, dass der Mensch ein Instrument des Hirns ist. Und da muss man sich fragen, was ist der Mensch? Meine - und nicht nur meine - Meinung ist, dass wir heute zu stark vom Intellekt gesteuert sind und zuwenig die Körper-, Seelen- und Gefühlsebene zum Zug kommen lassen.

Albert Camus hat einmal festgestellt, das Wahre suchen sei nicht gleichbedeutend mit das Wünschenswerte suchen. Trifft das nicht auch auf etliche Figuren im Buch zu?

Die Armonier verlassen ihre ursprüngliche Gesellschaftsform auf der Suche nach einer neuen Wahrheit und im Gegensatz dazu wäre für uns Menschen eine Welt wünschenswert, wie es die Armonier hatten. Aber letztlich ist die Frage, was denn nun wünschenswert ist, sehr individuell. Für mich liefert das Buch ein Denkanstoss dazu, was wünschenswert sein könnte, aber ich selber weiss nicht, wo die Wahrheit liegt: Erreichen wir Harmonie durch ein Zurückgehen oder durch gezielten Fortschritt? Einig sind sich wohl alle nur, dass wir heute keinen wünschenswerten Zustand haben.

Im Buch geht es um Gleichheit und Gerechtigkeit. Angeprangert werden das Streben nach Macht und Luxus. Sie sind Unternehmensberater, also in einer Welt tätig, wo es eher um Gewinnmaximierung, Shareholder Value und Kosteneinsparung geht. Wie geht das für Sie auf?

Ich bin überzeugt, dass man in Unternehmen durchaus dahingehend wirken kann, nicht nur auf Gewinnmaximierung zu achten. Was mich stört, selbst als Wirtschaftsmensch, ist der unreflektierte Wachstumswunsch. Vielleicht rührt meine Sehnsucht nach einer Gesellschaft, die mehr auf Gleichheit basiert, daher, dass ich in meinem Wirtschaftsumfeld das Gegenteil erlebe.

Sie beschreiben im Buch zwei Gesellschaften, die genau entgegengesetzte Wege beschritten haben, oder noch beschreiten. Und es ist unschwer festzustellen, welchen Weg Sie bevorzugen. Haben Sie beim Entstehen der Geschichte auch überlegt, was Sie allenfalls an Ihrem Leben ändern könnten?

Ich denke, das Buch wäre schon gar nicht entstanden, wenn sich nicht bereits Veränderungen in meinem Leben angebahnt hätten. Ich habe zum Beispiel bewusst begonnen nur noch Mandate anzunehmen, zu denen ich stehen kann. Und ich habe generell mein Auftragsvolumen reduziert und bin deutlich weniger konsumfreundlich. So habe ich mir Freiraum für andere Dinge geschaffen.

Haben Sie weitere Buchpläne?

Ich habe wohl ein Thema im Kopf - Lebenslügen - denn ich beobachte dies so viel um mich herum, aber noch fehlt mir die Geschichte dazu. Bei Armon war es schön bequem: ich hatte eine Geschichte als Idee und nicht nur ein Thema.

Haben Sie sich auch schon überlegt, am Schreibhandwerk zu feilen, etwa in Creative Writing Kursen?

Ja, grundsätzlich schon. Mir war bei Armon immer klar, dass die Geschichte mir gefällt, aber dass man sie besser schreiben könnte, da möchte ich mich gerne entwickeln. Umso mehr als ich bisher ein gutes Leserecho erhalten habe. Das motiviert mich, an meinem Stil zu arbeiten.

Könnten Sie in einem dieser Clubs leben, die in Ihrem Buch als mögliche Lösung für unsere Gesellschaft vorkommen?

Wenn es solche Clubs bei uns gäbe, hätte ich viel Sympathie dafür, aber ob ich dort beitreten würde - gute Frage. Wir sind eine Gesellschaft von Individualisten, ich inbegriffen. Ich weiss also nicht, ob ich selber ein guter "Clubber" wäre.

Interview: Anne-Catherine Eigner


Zum Buch

Auf Armon lebt eine kleine, ausgeglichene Gesellschaft in quasi paradiesischen Zuständen. Die Natur hat alles so eingerichtet, dass es ihnen an nichts mangelt. Den lebenswichtigen Sauerstoff etwa, beziehen sie aus einem Berg in der Nähe der einzigen Armonier-Siedlung. Doch die aufgrund von Berechnungen plötzlich aufkommende Angst vor Sauerstoffknappheit löst im bisher friedlichen Zusammenleben der humanoiden Armonier dramatische Veränderungen aus. Ein nach wie vor im Einklang mit der Natur lebender Bevölkerungsteil wird zunehmend vom Macht- und Wohlstandsstreben einiger Führernaturen unterjocht. Nach nur wenigen Generationen gleicht die Gesellschaft Armons derjenigen auf der Erde.

Menschliche Forscher entdecken im Jahr 2021 auf Armon Hinweise auf eine mögliche Bevölkerung. Als einige Jahre später Raumfahrer den geheimnisvollen Trabanten besuchen, finden sie kein Leben mehr vor, aber viele Überreste und Schriftstücke der auf rätselhafte Art ausgestorbenen Gesellschaft.
Als die Schriftstücke endlich entziffert sind, wird ihre Veröffentlichung von offizieller Seite verboten. Denn der Grund für das Aussterben der Armonier, nämlich Macht und Habgier, ähnelt zu sehr den Zuständen auf der Erde.

Dennoch unterstützen die Erkenntnisse aus dieser Reise den auf der Erde seit der Jahrtausendwende feststellbaren Trend in Richtung eines harmonischen Zusammenlebens der Menschen. Die früher als utopisch verlachte Idee von grossen, dorfgemeinschaftsähnlichen Clubs, wo alle Menschen gleichgestellt sind, alles teilen und solidarisch funktionieren, wird erfolgreiche Realität.

Über den Autor

Stefan Tobler wurde 1957 in Luzern/Schweiz geboren und lebt heute in Vitznau. Er ist diplomierter Wirtschaftsprüfer und seit vielen Jahren als Unternehmensberater im Bereich Mergers&Acquisitions tätig. Er interessierte sich immer sehr ausgeprägt für die sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhänge in Unternehmen im Speziellen und in der Gesellschaft im Allgemeinen.
Armon ist sein erstes Buch.

Stefan Tobler hat Armon zunächst für sich selber geschrieben, in einem Zug, ohne Gerüst und grosse Planung. Die direkte, manchmal fast derbe Umgangssprache ist dabei gewollt. Der Anstoss, Armon in Buchform herauszugeben, kam von ersten, positiven Echos aus seinem Umfeld.

Mit Armon wollte der Autor Denkanstösse geben. Denn was er vermisst, ist, dass vielen Leuten der Idealismus abgeht, und dass die Gesellschaft als Ganzes nicht mehr nach harmonischen Lösungen sucht. Wir hätten uns mit den vielen Defiziten unserer Gesellschaft abgefunden, meint Tobler. Das Wirtschaftswachstum sei heilig und niemand frage sich, ob es nicht auch anders gehen würde. Die Gesellschaft sei gefangen in Automatismen, desillusioniert und perspektivenlos. Utopien würden schnell als unmachbar vom Tisch gefegt. Mit Armon will er mögliche Visionen aufzeigen.

Text: Anne-Catherine Eigner

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